Spanischer Justizminister stellt katalanische Unabhängigkeitsbewegung in die Naziecke

Ohne das Kind direkt beim Namen zu nennen, hat der der neue spanische Justizminister Rafael Catalá bei einer Rede vor hohen Regierungs- und Justizvertretern und im Beisein der Presse  vor  ideologischen Strömungen gewarnt,  die charismatische Führer  und Massenaufmärsche auf den Straßen verherrlichten.

Hitlerbewunderer Carl Schmitt als geistiger Stammvater der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung

Obwohl es der Justizminister  vermied, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung und Kataloniens Präsident Artur Mas namentlich zu erwähnen, wurden seine vordergründig  vagen Aussagen aber allgemein als Kommentar zu den aktuellen Vorgängen in Katalonien gewertet.  In seiner Rede nannte der Justizminister ausdrücklich den Hitlerverehrer Carl Schmitt als geistigen scaled-448x350-ohne_hemd_400hVater  solcher Bewegungen. Der Judenhasser Schmitt, zweifellos der umstrittenste deutsche Staatsrechtler des vergangenen Jahrhunderts, betonte nach Hitlers Machtübernahme in seinen Schriften die Rechtmäßigkeit der “nationalsozialistischen Revolution”. Der spanische Justizminister wörtlich: “Die Wiederkehr solcher Ideologien belastet die Rechte und die Freiheit aller Spanier, weil sie sich auf einen charismatischen Führer und auf die Mobilisierung der Massen berufen und diese mit der Gesamt-bevölkerung gleichsetzen.”

Kataloniens Präsident unter Anklage

Unter den Zuhörern befand sich auch der oberste spanische Staatsanwalt Eduardo Torres Dulce, der die weisungsgebundene katalanische Staatsanwaltschaft kürzlich davon überzeugt hatte, Kataloniens Präsidenten Artur Mas sowie seine Vizepräsidentin und seine Bildungsministerin gerichtlich zu verfolgen, obwohl die katalanischen Staatsanwälte das zuvor in einer Sitzung abgelehnt hatten. Ihnen wird nunmehr zur Last gelegt, am 9. November die Volksbefragung durchgeführt zu haben, und zwar “mit Urnen, Wahllokalen und Stimmzetteln, wie sie für Wahlen charakteristisch sind”, wie es in der Anklageschrift wörtlich heißt. Wer also auf der Straße seinen Unmut äußert, muss sich gefallen lassen, mit dem Nazimob verglichen zu werden. Wer den Menschen, also der “Gesamtbevölkerung” im Sinne des Justizministers , die Möglichkeit geben will, ihren Willen demokratisch zu äußern, bekommt es mit dem Staatsanwalt zu tun.  Eine demokratiepolitisch wahrlich ausweglose Situation.

Mit Handgranate und Kreissäge gegen Artur Mas

El-polemico-tuit-publicado-por_54415019234_54028874188_960_639Wesentlich toleranter zeigt sich die konservative Regierungspartei PP mit Mandataren aus ihren eigenen Reihen, auch wenn sie eher hemdsärmelige Methoden (siehe Abbildung des Original-Tweets) im Umgang mit ihrem Gegner favori-sieren. Im Vorfeld der Consulta twitterte etwa die katalanische PP-Ortsgruppe des Küstenstädtchens Masnou die folgende Frage: “Falls Artur Mas am 9. November Urnen aufstellen wird, welche Methode scheint Ihnen die effizienteste, um ihn zur Vernunft zu bringen?” Die vorgeschlagenen Methoden lösten zwar in der kritischen Öffentlichkeit eine Welle der Empörung aus, zogen aber für den Verantwortlichen keinerlei negative Konsequenzen nach sich. Im Gegenteil: Vor wenigen Tagen wurde sogar bekannt, dass er für die im Frühling bevorstehenden Kommunalwahlen zum Spitzenkandidaten gewählt wurde.

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Podemos und Katalonien: Eine radikale Protestpartei lernt das Taktieren

Pablo Iglesias, der neue linke Shootingstar am spanischen Politfirmament, nimmt sich sonst kein Blatt vor den Mund. So lässt er etwa Angela Merkel ausrichten, sie solle gefälligst bei den Wahlen antreten, wenn sie in Spanien regieren wolle. Und mit seinem Unbehagen über fremde Soldaten auf spanischem Boden rechtfertigt er gleich einen NATO-Austritt. Nur wenn es um Kataloniens Selbstbestimmungsrecht geht, werden seine Aussagen seltsam zahnlos.

Spaniens traditionelle Linke hat abgewirtschaftet

Der kometenhafte Aufstieg der linken Protestpartei Podemos ist eng verknüpft  mit dem Niedergang der traditionellen spanischen Linken. Wo in den letzten Monaten ein spanischer Richter in einem Korruptionssumpf zu stochern begann, kam oftmals heraus, dass konservative, sozialistische, mitunter sogar kommunistische Gewerk-schaftsfunktionäre sich einträchtig an üppigen Kommissions-, Subventions- und Spesentöpfen bedient hatten.

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Podemos vor PP und PSOE, angefacht vom Zorn der Bürger

So wundert es mittlerweile niemand mehr, dass Podemos in einigen Umfragen in der Wählergunst sogar an erster Stelle liegt. Spaniens krisengeschüttelte Bevölkerung will nicht mehr länger zusehen, wie die beiden Großparteien PP und PSOE sich den Staat und seine Pfründen einmütig untereinander aufteilen. Sie haben das Vertrauen in einen Staat verloren, der Banken vor der Pleite, aber nicht Menschen vor der Delogierung rettet.

Podemos –  Sprachrohr der Empörten

pablo iglesias podemos(4)Millionen enttäuschter Wähler und Wählerinnen suchen nach einem Sprach-rohr, das ihrer Empörung endlich eine Stimme verschafft und laufen Podemos in Scharen zu, zumal ihr Leader Pablo Iglesias in den Polit-Talkshows des spanischen Fernsehens omnipräsent ist und niemand so virtuos wie er auf dem Medienklavier sämtliche Stückchen spielt.

Parteileader Iglesias taktiert in Sachen Katalonien

Auch in Katalonien wird derzeit darüber spekuliert, wie sich Podemos’ scheinbar unaufhaltsamer Aufstieg auf die katalanische Parteienlandschaft auswirken wird. Das wird auch davon abhängen, wie sich Podemos in der katalanischen Frage positionieren wird. Und so kam es für viele katalanische Sympathisanten überraschend, dass am 7. November, also zwei Tage vor der Bürgerbefragung, der Podemosvillarejo-podemosSpitzenmandatar Carlos Jímenez, ein pensionierter Richter, dessen Verdienste um die Korruptionsbekämpfung unbestritten sind, in der Tageszeitung El Pais einen Kommentar unter der Überschrift “Eine undemokratische Volksbefragung” veröffentlichte. Ein sonderbarer Vorwurf von einer Partei, die sich die Basisdemokratie auf ihre Fahnen geschrieben hat. Dass Podemos in diesen Tagen einen Schnellsiedekurs in Sachen Taktieren absolviert zu haben scheint, untermalt die vorgestrige Aussage von Parteileader Pablo Iglesias in einem Radiointerview, in dem der Politrebell kreuzbrav erklärte, dass Katalonien nicht die Kompetenz dazu habe, einseitig seine Unabhängigkeit zu erklären. Iglesias, nach eigenem Bekunden ein spanischer Patriot, ist also in dieser Frage Pragmatiker genug, um zu wissen, dass ein klares Bekenntnis zu Kataloniens Selbstbestimmungsrecht seiner Partei in Spanien viele Stimmen kosten wird. Einmal mehr zeigt sich wieder, dass in Sachen Katalonien Spaniens Linke und Rechte stets am selben Strick ziehen.

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Die Axt und der Bonsai

(Gastkommentar von Krystyna Schreiber, Barcelona)

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Seit 300 Jahren misstrauen wir Spanier den Katalanen, weil wir befürchten, dass sie so stark werden, dass sie uns verlassen könnten. Daher pflegen wir sie wie einen Bonsai: wir drangsalieren sie (ohne, dass es weiter auffällt) mit Drähten, damit sie möglichst wenig und maximal kontrolliert wachsen. Wir halten sie in einem kleinen Topf und bewässern sie tropfenweise. Wir geben ihnen Verantwortung, aber nur, wo unbedingt nötig  und  natürlich behalten wir die Entscheidungsgewalt. Wir überlassen ihnen Geld, wenn es sich denn nicht vermeiden lässt, und sorgen dafür, dass sie immer bei uns verschuldet und von uns abhängig bleiben. Wir geben ihnen Infrastruktur, aber immer etwas weniger als vereinbart. Wir geben, richtig! Aber nur wenig, nur das nötigste, weil wir Angst haben, dass uns der Bonsai sonst entwischen könnte. Tatsächlich können wir nicht verstehen, warum dieses undankbare Gewächs kein Bonsai sein will, wo dieser doch so schön in unsere Schrankwand passt. Aber dickköpfig wie er ist, träumt er davon, eine ausgewachsene Eiche zu sein. Und da wir feststellen müssen, dass die Drähte nicht mehr ausreichen, um ihn im Zaum zu halten, zeigen wir ihm jetzt unsere Axt aus unseren scharf gewetzten Gesetzen.

Nach der Abstimmung am 9. November in Katalonien steht die katalanische Staatsanwaltschaft unter massivem Druck seitens der spanischen Regierung und der spanischen Staatsanwaltschaft, die eine gerichtliche Verfolgung des Präsidenten der katalanischen Regierung, Artur Mas, ihrer Vizepräsidentin, Joana Ortega, und der Bildungsministerin, Irene Rigaud, wegen angeblichem Ungehorsam, Rechtsbeugung, widerrechtlicher Amtsanmaßung und Amtsunterschlagung und Missachtung des Gerichts durchsetzen wollen. Ihre Verbrechen bestehen darin, einen unverbindlichen „Beteiligungsprozess” in Katalonien ermöglicht zu haben, in dem mehr als zwei Millionen europäische Bürger ihre Meinung über ihre politische Zukunft als Volk ausdrückten – in Ausübung unveräußerlicher Menschenrechte und der Rechte der Völker, festgehalten in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

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Ministerpräsident Rajoys letzter Trumpf

Eineinhalb Jahre vor den nächsten Parlamentswahlen bläst Präsident Rajoy der Gegenwind ins Gesicht: Seine Partei, die konservative Volkspartei PP, versinkt täglich tiefer im Korruptionssumpf, die Umfragewerte der Protest-partei Podemos klettern in den Himmel, und Spaniens Wirtschaft schlittert bereits wieder in die nächste Krise. In dieser Situation sucht er Zuflucht zu einem alten, aber bewährten Hausrezept der spanischen Innenpolitik und präsentiert sich als Retter des Vaterlandes, will heißen als unerschrockener Kämpfer gegen die rebellischen Katalanen.

Rajoys fataler Irrtum vom 9. November

Noch vor wenigen Wochen hatte Spaniens Präsident Rajoy hoch und heilig versprochen, dass am 9. November in Katalonien kein Referendum stattfinden werde. Bis zuletzt hatte er darauf gesetzt, dass Kataloniens Präsident Artur Mas auch die Consulta light nach dem neuerlichen Verbot durch die Richter absagen und wieder klein beigeben werde. Als Mas dann aber letzten Sonntag wider Erwarten die Wahlurnen aufstellte, konnte Rajoy nur noch darauf hoffen, dass die Staatsanwaltschaft in letzter Minute Mas in die Schranken weisen würde. Wie man heute weiß, vergeblich.

Improvisierte Stellungnahme des Justizministers gerät zur Peinlichkeit

ministre catalàWie unvorbereitet  die Abhal-tung der Consulta – und mehr noch deren Ergebnis – Spaniens Regierung traf, zeigt sich daran, dass Justizminister Rafael Cata-là am Sonntag Abend unvorher-gesehen zu einer Stellungnahme vor die Kamera des staatlichen Fernsehens trat. Als nämlich auch der spanischen Regierung dämmerte, dass die Wahlbeteiligung in Katalonien alle Erwartungen übertraf, konnte die Consulta nicht mehr länger wie vorgesehen ignoriert werden. Wie sehr die Ereignisse die Regierung überrumpelten, konnte man daran erkennen, dass das ministerielle Mikrofon schnell noch mit Klebestreifen an eine Halterung gepickt worden war.

Oberster Staatsanwalt sitzt im Kino und schreitet nicht ein

Laut Ernesto Ekaizer, dem vielleicht besten Kenner der Hintergründe der spanischen In-nenpolitik, versuchte Rajoy telefonisch am Sonntag Abend den obersten Staatsanwalt, Eduardo Torres-Dulce, zu erreichen, um ihn dazu zu bewegen, gegen Präsident Mas einzuschreiten. Dieser hatte nämlich am frühen Abend im katalanischen Fernsehen provokant erklärt, dass die Staatsanwaltschaft nur ihn anschauen müsse, falls sie den für die Consulta Verantwortlichen suche. Aber Torres Dulce frönte um diese Zeit angeblich seiner Leidenschaft, dem Kino, und hatte sein Handy ausgeschaltet.

Hohe Parteifunktionärin der PP betätigt sich als Sprecherin der Staatsanwalt-schaft

Bereits am Morgen danach verkündete Alícia Sánchez-Camacho, Vorsitzende der katalani-schen PP und Präsident Mas´schrillste KritikerinAlicia-Sanchez-Camacho-propuestas-PSC-proyecto_EDIIMA20121001_0178_4, im Frühstücksfernsehen, dass die Staatsanwaltschaft die Klage gegen Mas bereits fertiggestellt hätte und wartete be-reits mit Details aus der Anklageschrift auf.  Mit diesem Auftritt als selbsternann-te Sprecherin einer eigentlich unabhängigen Institution sorgte sie für einen handfesten Politskandal und schaffte es mühelos, sogar die PP-nahen Staatsanwälte gegen wachsen-de Vereinnahmungspolitik der Regierung aufzubringen.

In der Tat hat die Staatsanwaltschaft bis heute noch keine Klage gegen die katalanische Regierung eingebracht. In den letzten Tagen ist dazu durchgesickert, dass sich besonders die katalanischen Staatsanwälte vehement dagegen aussprechen würden. Eine offizielle Stellungnahme wird jedenfalls erst für Dienstag erwartet.

Rechte und Linke demonstrieren Einigkeit in Sachen Katalonien

Seit dem 9. November hängt der Haussegen in der Partido Popular schief. Immer mehr VertreterInnen des hurrapatriotischen Flügels der PP kommen aus ihrer Deckung heraus und schießen ihre publizistischen Pfeile auf Ministerpräsident Rajoy. Und einmal mehr ziehen Spaniens Rechte und Linke am selben Strick, wenn es darum geht, die spanische Einheit gegen die katalanischen  Störenfriede zu verteidigen. Drei Tage nach dem Consul-ta-Schock schrieb der Schriftsteller Andrés Trapiello in einem Kommentar in der links-liberalen Tageszeitung El Pais, dass die katalanischen Separatisten in zwölf Stunden das erreicht hätten, was die baskische Terrororganisation ETA in 30 Jahren nicht geschafft habe, nämlich die Liquidierung des Staates.

Wäre es da nicht an der Zeit, die spanischen Streitkräfte Richtung Nordosten in Bewegung zu setzen?

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Mehr als 2,2 Mill. KatalanInnen sprechen ein Machtwort

cuesWie groß hier in Katalonien das Bedürf-nis der Menschen war, endlich ihre Mei-nung zur Zukunft ihres Landes sagen zu können, haben gestern Sonntag die Men-schenschlangen vor den Wahllokalen eindrucksvoll bewiesen. Auch wenn die Urnen aus Ersparnisgründen nur aus Karton waren, haben mehr als 2,2 Mill. Abstimmungsberechtigte die Chance ge-nutzt und darin ihre Meinung deponiert. Erste Reaktionen aus Madrid lassen allerdings befürchten, dass die spanische Regierung die Signale aus Katalonien wieder nicht hören will und sich weiterhin taub stellen wird.

Mehr als 8o% für eine Unabhängigkeit Kataloniens

Das vorläufige Ergebnis, noch nicht alle abgegebenen Stimmen sind ausgezählt, sprechen eine deutliche Sprache: 81 % der an der Consulta 9N teilnehmenden KatalanInnen wünschen sich ihr Land als einen eigenen Staat, etwa 9% streben eine föderale Lösung an und nur 4% sind mit dem Status quo zufrieden. Auch wenn das Abstimmungsergebnis unterschiedlich interpretiert wurde, ist doch eines klar: Die für eine unverbindliche Meinungsbefragung völlig unerwartet hohe Beteiligung lässt keinen Zweifel darüber, dass die Menschen in Katalonien endlich gehört werden und über ihre Zukunft selber entscheiden möchten.

Staatsanwaltschaft schreitet nicht ein

Entgegen den Befürchtungen vieler KatalanInnen und trotz mehrerer Anzeigen von rechtsextremistischen Parteien haben es die Staatsanwälte, die in den vier Provinzen Kataloniens Bereitschaftsdienst hatten, dezidiert abgelehnt, von der Polizei die aufgestell-ten Urnen beschlagnahmen zu lassen. In einer der Anzeigen war sogar ausdrücklich die sofortige Verhaftung von Präsident Artur Mas gefordert worden.

Diese Zurückhaltung wird als Zeichen interpretiert, dass die spanischen Richter es leid sind, immer die Suppe auszulöffeln zu müssen, die sich die Politiker eingebrockt haben. Mit dem Hinweis, dass ein polizeiliches Einschreiten mehr demokratischen Schaden anrichte als verhindere, wiesen sie alle Anträge ab.

Bekanntlich war die Consulta vom Verfassungsgerichtshof zwar verboten worden, aber immerhin wurde den Organisatoren, allen voran der katalanischen Regierung, ein juristi-sches Schlupfloch geöffnet. Solange sie nicht als Organisator auftrete, so wurde der Generalitat (Autonome Regierung Kataloniens) signalisiert,  werde die spanische Justiz nicht  einschreiten. So waren denn nahezu 40.000 Freiwillige im Wahleinsatz, obwohl die katalanische Regierung darauf beharrte, weiterhin maßgeblich für die Organisation der Consulta verantwortlich zu sein.

Regierung Rajoy stellt sich weiterhin taub

In einer ersten Stellungnahme bezeichnete Ministerpräsodent Rajoy das gestrige Bürger-beteiligungsverfahren als “antidemokratisch” und verkündete, dass es keinerlei politische Konsequenzen haben werde. Seine Statthalterin in Katalonien, Alícia Sánchez Camacho, ging noch einen Schritt weiter und sprach von einer politischen Farce.  Am weitesten aber ging Albert Rivera, Vorsitzender der populistischen Partei Ciutadans, indem er während einer Gegenveranstaltung proklamierte, die Menschenmassen vor den Wahllokalen erinnerten ihn an die Kundgebungen zu Zeiten Hitlers und Francos.

Großer Widerhall der Consulta im Ausland

Die für die Pressearbeit Verantwortlichen hatten am Sonntag früh bekanntgegeben, dass sich 800 JournalistInnen von 200 Zeitungen und Fernsehanstalten, darunter 100 ausländische, akkreditiert hätten. Es könnte also durchaus passieren, dass angesichts des wachsenden Drucks aus dem Ausland der Regierung in Madrid die Strategie des Ignorierens und Desqualifizierens  eines Tages auf den Kopf fallen wird.

Rajoy „garantiert“ die spanische Einheit

Gestern Samstag gab Ministerpräsident Rajoy im Fernsehen das feierliche Versprechen ab, dass Katalonien sich nicht von Spanien abspalten werde, solange er spanischer Ministerpräsident sei. Angesichts seiner Beliebtheitswerte ist es aber durchaus absehbar, dass seine Tage an der Regierungsspitze gezählt sind. Darüber hinaus lässt der kometen-hafte Aufstieg der Protestpartei Podemos vermuten, dass bei den nächsten Parlaments-wahlen im Herbst kommenden Jahres die Karten so oder so völlig neu gemischt werden.

Auf die Frage, was er am Montag nach der Consulta machen werde, hatte Artur Mas bereits vorige Woche angekündigt, dass er als erstes einen Brief an Mariano Rajoy schreiben und ihn darin auffordern werde, gemeinsam eine politische Lösung des Konflikts zu suchen. So wie es aussieht, wird Rajoy aber den Brief unbeantwortet lassen.

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Consulta 9N – Spanien macht gegen die katalanische “Grillparty” am 9. November mobil

Zusammen mit weißen Bohnen serviert, ist sie das Nationalgericht: die botifarra, Kataloniens Bauernwust. Von botifarrada spricht man hier, wenn jemand eine größere Anzahl solcher Exemplare auf einen Grill legt und dazu seinen Freundes- und Bekanntenkreis einlädt. Als genau das bezeichnete nämlich  Spaniens antikatalanische Presse den für Sonntag anberaumten zweiten Anlauf einer Volksbefragung. Seltsam nur, dass die Regierung in Madrid jetzt plötzlich gegen diese “Grillparty” mobilisiert.

Zuerst lächerlich gemacht, dann verboten

consulta 9NAls der katalanische Präsident Artur Mas vor zwei Wochen die erste, offizielle Volksbefragung auf Druck der spanischen Regie-rung absagte, war die Schadenfreude groß in Madrid. Und als er dann eine alternative, abgespeckte Version der Consulta aus dem Hut zauberte, machten sich viele Kommentatoren in spanischen Fernsehkanälen über diese “Karnevalsveranstaltung” lustig. Also genau diejenigen, die laut applaudierten, als Spaniens Verfas-sungsrichter eine Volksbefragung nach internationalen Standards verboten, beklagten plötzlich das Fehlen demokratischer Legitimität. Inzwischen hat der Verfassungsgerichts-hof bekanntlich auch die neue Consulta reflexartig verboten, aber im Gegensatz zum ersten Veto ist die katalanische Regierung nicht eingeknickt und beharrt weiter darauf, dass die KatalanInnen am Sonntag ihre Meinung abgeben können. Und so wie es derzeit aussieht, wird es übermorgen Urnen geben, Stimmzettel und eine EDV-gestützte Wähler-registrierung. Immerhin.

SchuldirektorInnen bekommen einen Brief von der spanischen Regierung

Aber nun scheint Spanien doch Angst bekommen zu haben, dass Katalonien am Sonntag ein Stück weiter seiner Kontrolle entgleiten könnte und sucht mittlerweile fieberhaft nach Gegenmitteln. So wurde gestern bekannt, dass die Delegierte der spanischen lanos de la lunaRegierung in Katalonien, María de los Llanos de Luna, ei-nen Brief an nahezu 3700 Mittelschul-Di-rektorInnen geschickt hat, in denen übermorgen die symbolische BügerInnenbe-fragung stattfinden wird. Darin warnt sie eindringlich davor, “an den Schulen Hand-lungen im Zusammenhang mit der Volks-befragung” zuzulassen und erinnert die Schulverantwortlichen daran, dass sie das von Spaniens Verfassungsrichtern verhängte Verbot zwingend befolgen müssen.

Rajoys Dilemma

Spaniens Regierungsverantwortliche stecken in einem Dilemma: Sollen sie übermorgen die Consulta unter dem Hinweis tolerieren, dass sie nicht mehr wie ursprünglich vorge-sehen von der katalanischen Regierung, sondern von der Zivilgesellschaft organisiert wird? Oder sollen sie die Bereitschaftsrichter dazu ermuntern, am Sonntag die spanische oder gar die katalanische Polizei loszuschicken, um an den Schulen die Urnen beschlag-nahmen zu lassen? Entscheiden sie sich für die erste Option, werden sie ins mediale Kreuzfeuer der spanischen Hardliner geraten. Wählen sie die zweite, dann werden sie das Foto liefern, das der ganzen Welt zeigen wird, wie Spanien mit demokratischen Willens-kundgebungen umgeht. Man darf also gespannt sein, wie auf der heutigen Regierungs-sitzung in Madrid die Weichen gestellt werden.

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Internationaler Haftbefehl gegen treue Diener des Franco-Regimes

Wegen des Verdachts auf Verbrechen  gegen die Menschlichkeit erließ vor-gestern die argentinische Richterin María Servini einen internationalen Haft-befehl gegen 20 hohe Würdenträger und auch einfache Schergen der Franco-Diktatur. Unter den Betroffenen befinden sich mehrere ehemalige Minister, aber auch frühere Polizeibeamte, die in den Kerkern als Folterknechte die Dreckarbeit für das Regime erledigten.

Keine rechtliche Handhabe in Spanien

In der Vergangenheit hatten Hinterbliebenene der Opfer der Franco-Diktatur und diverse Menschenrechtsorganisationen immer wieder erfolglos versucht die mutmaßlichen Täter vor ein spanisches Gericht zu bringen. Zuletzt hatte vor vier Jahren der Fall des Unter-suchungsrichters Baltasar Garzón weltweit Aufsehen erregt. Richter Garzón wurde vom Dienst suspendiert, weil er “gesetzeswidrig” Nachforschungen über das Schicksal von Verschwundenen veranlasst hatte. In Spanien ist nämlich seit 1977 ein großzügiges Amne-stiegesetz in Kraft.

Unterzeichner des Todesurteils gegen Salvador Puig Antich unter den Beschuldigten

puig antichNach Servinis Haftbefehl richtet sich in Katalonien das öffent-liche  Interesse jetzt vor allem auf die Person von José Utrera Molina. Dieser Richter hatte im Jahre 1974 nach einem mehr als fragwürdigen Militätgerichtsverfahren das Todesurteil gegen den katalanischen Anarchisten Salvador Puig Antich unterschrieben. Der 24-jährige Puig Antich wurde kurz darauf mit einem Würgeeisen bestialisch hingerichtet. Der deutsch-katalanische Schauspieler Daniel Brühl setzte ihm 2007 mit dem Film “Salvador – Kampf um die Freiheit” ein Denkmal. Bis zum heutigen Tag haben sich die Verwandten des Hingerichteten ver-geblich darum bemüht, dass dieser Prozess von der spanischen Justiz wieder neu aufgerollt wird. Utrera Molina, übrigens der Schwiegervater des vor kurzem zurückgetretenen Justizministers Alberto Ruiz-Gallardón, bekannte noch im Jahre 2010, mit wehmütigem Blick zurück,  in einem Artikel in der Tageszeitung ABC: “Wir leben in einer Zeit, in der wir Gefahr laufen uns dafür zu schämen, dass wir einer alten und glorreichen Nation – wie Spanien es immer gewesen ist –  angehören.“

Fehlendes Unrechtsbewusstsein bei den Regimedienern

Solche Sätze erinnern fatal an die Filbinger-Affäre der späten Siebzigerjahre. Der Schrift-steller Rolf Hochhuth hatte damals den ehemaligen NS-Marinerichter und späteren Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Hans Filbinger, als “furchtbaren Juristen” bezeichnet, weil dieser in einem SPIEGEL-Interview geäußert hatte: “Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein.”

José Manuel Romay Beccaría_Presidente del CdE_ amb Franco i Fraga Iribarne

General Franco, J.M.Romay und PP-Gründungsvater Fraga Iribarne

Generell hat man den Eindruck, dass auch im Spanien des 21. Jh. die Verstrickungen ranghoher Juristen mit dem Franco-Regime kein Karrierehindernis darstellen. So tauchte etwa erst kürzlich im Internet ein Foto auf, das den heutigen Präsidenten des Spanischen Staatsrates, José Manuel Romay, zusammen mit General Franco zeigt. Bereits in jungen Jahren bekleidete dieser Jurist unter Diktator Franco höchste Staatsämter.

Frühere Francogetreue bekleiden höchste Staatsämter

Der Spanische Staatsrat ist laut Verfassung das höchste konsultative Organ der spanischen Regierung. Erst am vergangenen Donnerstag hat es der Regierung Rajoy auf Anfrage in einem Rechtsgutachten nahe gelegt, beim Verfassungsgericht auch ein Verbot der modifizierten Volksbefragung in Katalonien  zu beantragen.  Nachdem nämlich die oberste spanische Gerichtsinstanz die für nächstes Wochenende ursprünglich geplant gewesene Volksbefragung über einen Weiterverbleib Kataloniens bei Spanien verboten hatte, hat die katalanische Regierung als Reaktion auf das Verbot für den selben Tag einen symbolischen Akt der Bürgerbeteiligung angekündigt. Allerdings gehen in Katalonien alle davon aus, dass Spaniens Verfassungsrichter auch in diesem Fall einen Weg finden werden, den Katalanen zu verbieten, dass sie am kommenden Sonntag  ihre Meinung in einer Wahl-urne deponieren können. Was dann geschehen wird, traut sich hier derzeit niemand vor-herzusagen.

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Protesthymne aus der Francozeit feiert unerwartetes Revival

Wenn in Katalonien ein Lied den Widerstand gegen die Franco-Diktatur symbolisiert, dann ist es zweifellos „L’estaca“ von Lluís Llach. Dieses Pro-testlied stand bis zu Francos Tod im Jahre 1975 ganz oben auf der schwarzen Liste der faschistischen Zensoren. Umso unglaublicher klingt es, dass 46 Jahre danach erneut versucht wird zu verhindern, dass dieses Lied gesungen wird. Und nicht zufällig ist diese Protesthymne heute populärer denn je.

FilmetsLetztes Wochenende fand in Badalona, Kataloniens drittgrößter Stadt, das Kurzfilmfestival FILMETS statt. Während der abschließenden Preisverleihung trat ein Musiker unerwartet vor das Publikum und erklärte, dass ihm der Leiter der Rathaus-Presseabteilung über den Kopf des Festivalleiters hinweg untersagt habe, während der Abschluss-veranstaltung „L’estaca“ zu interpretieren. Dazu muss man wissen, dass in Badalona die spanisch-nationa-listische Volkspartei den Bürgermeister stellt, weil sich nach den letzten Stadtvertretungs-wahlen im Jahre 2011 die Sozialisten und die Katalanisten auf keinen Kandidaten einigen konnten. Bürgermeister Xavier García Albiol hatte zuvor im Wahlkampf mit defti-gen Antiausländerparolen über Kataloniens Grenzen hinaus für Aufsehen gesorgt.

l'estaca
Original-Plattenhülle

In dem Lied „L’estacazu Deutsch der Pfahl, erinnert sich Sänger und Komponist Lluís Llach an seinen Großvater Siset, der das Franco-Regime mit einem fest in die Erde geschlagenen Holzpflock verglich. Dieser kann aber zu Fall ge-bracht werden, wenn nur genug Menschen von allen Seiten an ihm ziehen und rütteln.

Das verdutzte Publikum in Badalona quittierte diesen Versuch der politischen Einmischung in eine Kulturveranstaltung jedenfalls damit, dass es spon-tan dieses scheinbar unliebsame Lied anstimmte.

Überhaupt scheint dieses Lied spanienweit ein Revival zu feiern, zumal es bereits eine Woche vor den Ereignissen in Badalona am Ende des Parteikongresses der jungen, kome-tenhaft aufgestiegenen Protestpartei Podemos (Wir können) den offiziellen Schlusspunkt setzte. In Spanien, wo gerade ein Korruptionsskandal nach dem anderen platzt und autoritäre Ticks wieder fröhliche Urstände feiern, herrscht verständlicherweise wieder großer Bedarf an solchen Liedern.

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Das Imperium schlägt zurück

Staatsmacht ist in demokratischen Breitengraden eher ein verschwommener Begriff. Wie demokratisch aber ein Staat ist, beweist sich dann, wenn er in Frage gestellt wird. Großbritannien setzte im Fall Schottlands auf ein Refe-rendum. In Spanien dagegen zeigt der Staat den katalanischen Herausforde-rern seine Zähne und droht ihnen mit schweren Repressalien. Ausgerechnet an einem prominenten Richter wurde kürzlich ein besorgniserregendes Exempel statuiert.

Spaniens Justiz will pro-separatistischen Richter einschüchtern

salvados_desobediencia_civil--644x362Vor wenigen Tagen, die Vorbereitung der für den 9. November angesetzten Volksbefra-gung liefen bereits auf Hochtouren, teilte der Generalanwalt des Obersten Spanischen Justizrates dem  Richter Santiago Vidal mit, dass er ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet habe. Richter Vidal hatte nämlich in aller Öffentlichkeit erklärt, dass er in seiner Freizeit Mitglied einer Arbeitsgruppe katalanischer Justizexperten sei, die für ein unab-hängiges Katalonien eine modellhafte Verfassung ausarbeite.  In einer ersten Sitzung lehn-te es die Disziplinarkomission mit nur einer Stimme Mehrheit zwar ab, den Richter bis zu einem endgültigen Urteil mit sofortiger Wirkung vorläufig von Arbeit und Gehalt zu sus-pendieren, aber trotzdem war diese rabiate Vorgangsweise ein unüberhörbarer Schuss vor den Bug der Organisatoren der geplanten Volksbefragung.

Pikantes Detail am Rande: Wenige Tage vorher hatte der spanische Verfassungsgerichts-hof den Antrag der katalanischen Regierung  abgelehnt, den Präsidenten des Höchstge-richts in Sachen Volksbefragung für befangen zu erklären, weil dieser in einem Parla-mentshearing (s. Rundbrief 15) verschwiegen hatte, jahrelang Mitglied und Berater der re-gierenden Volkspartei gewesen zu sein. Die  Begründung lautete, dass die Privatmeinung eines Richters seine berufliche Unparteilichkeit nicht beeinträchtige.  Seltsamerweise scheint das aber nur für Richter der „richtigen“ Seite zu gelten, nicht aber für Richter Vidal.

Schnellgerichtsprozesse für die Betreiber der Volksbefragung?

Kaum hatte am 29. September der spanische Verfassungsgerichtshof die Volksbefragung für illegal erklärt, kursierten in den Medien  bereits die ersten Meldungen über die juristi-schen Auswirkungen dieses Urteils.  So wies etwa der frühere höchste Staatsanwalt des Obergerichtshofs in Katalonien, José Maria Mena, in einem Radiointerview darauf hin, dass politische Mandatsträger, Beamte und sogar Privatper-sonen straffällig würden, wenn sie sich über die Verbotserklärung hinwegsetzten und weiterhin an der Realisierung der Volksbefragung mitwirken würden. Ihre Verurteilung könne  auf dem Wege über Schnellgerichtsprozesse erfolgen, meinte Richter Mena abschließend.

Präsident Mas sagt unter Druck Volksbefragung ab

Angesichts des wachsenden Drucks aus Madrid blies der katalanische Präsident Artur Mas die versprochene Volksbefragung  kurzerhand ab, um die involvierten Personen nicht massiven Repressalien auszusetzen. Stattdessen zauberte er im Alleingang für den 9. No-vember ein wahlähnlich organisiertes Verfahren zur BürgerInnenbeteiligung aus dem Ärmel,  sehr zum Ärger der Linksrepublikaner (ERC), der Ökosozialisten (ICV) und der weit links stehenden CUP, mit deren Unterstützung er bis zu diesem Zeitpunkt die Volks-befragung vorangetrieben hatte. Mas, bekannt für seine blumigen Metaphern, hatte die buntgefächerte Consulta-Koalition wiederholt mit einer zerbrechlichen Porzellanfigur ver-glichen, die nunmehr  allerdings gefährliche Risse aufweist.

110.000 demonstrieren für Einigkeit und Neuwahlen

forc--644x362Um einen Scherbenhaufen zu verhindern, forderten deshalb heute Nachmittag mehr als 100.000 Menschen anlässlich einer im-provisierten Demonstration die verschnupf-ten PolitikerInnen dazu auf, sich wieder zu-sammenzuraufen, sich hinter die neue Con-sulta am 9. November zu stellen und bal-digst plebiszitäre Neuwahlen auszurufen.  Muriel Casals (links auf dem Foto) und Carme Forcadell, die Vorsitzenden der beiden Bür-gerInnenplattformen Ómnium Cultural und ANC, der treibenden Kräfte hinter dem katalanischen Prozess, hatten spontan zu dieser Kundgebung in Barcelonas Zentrum auf-gerufen.

Spaniens Medienkrieg gegen Separatisten geht weiter

miguel-angel-rodriguez-enfrentara-juicio-rapido_1_1700051Inzwischen geht der spanische Feldzug  gegen den katalanischen Böse-wicht Nr. 1, Präsident Artur Mas, an allen Medienfronten weiter. Auf welchem Niveau dieser Kampf  sich mittlerweile abspielt, zeigte sich vergangenen Mittwoch besonders eindrucksvoll: In einer Talkrunde im Privatsender ANTENA 3 erklärte Miguel Àngel Rodríguez, früher im-merhin Regierungssprecher unter José Maria Aznar, wörtlich: „Artur Mas ist verzweifelt, weil ihm niemand mehr zuhört. Allein was im fehlt, ist eine Erschießung, dann ginge es ihm großartig.“ companysDamit spielte er auf den katalanischen Präsidenten Lluís Com-panys an, den Diktator Franco auf den Tag genau vor 74 Jahren erschießen lassen hatte.  Rodríguez, der gerne den Sauber-mann gibt, hatte bereits im Mai vergange-nen  Jahres für Aufsehen gesorgt, als er nächtens drei  Autos zu Schrott fuhr und beim anschließenden Alkoholtest  den Grenzwert um ein Vierfaches übertraf.  Und während immer noch nicht bekannt ist, was dieses Mal seine Zunge lockerte, haben sich bis dato weder er noch die Programmver-antwortlichen bei Mas für diesen Sager entschuldigt.

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Der Konflikt spitzt sich zu

I am a Catalan.“ So begann am 24. Oktober 1971 der weltbekannte katalanische Cellist Pau Casals seine berühmte Rede vor der UNO-Vollversamlung und machte damit lange vor Pep Guardiola, dem Trainer des FC Bayern München, die Weltöffentlichkeit darauf aufmerksam, dass Katalonien nicht gleich Spanien ist.

People should be able to choose their future“, sagte vor wenigen Tagen US-Präsident Obama an gleicher Stelle. Eine simple Wahrheit, fügte er noch hinzu. Großbritannien hat sich im Fall Schottland an diese Devise gehalten, aber in Spanien gehen die Uhren anders. Von Hans Bösch.

Regierung und Opposition verschanzen sich hinter spanischer Verfassung

mas firmant el decretSeit am vergangenen Samstag der katala-nische Präsident Artur Mas das Dekret zur Abhaltung einer Volksbefragung unterzeich-nete, stehen die Zeichen auf Sturm. Denn bereits vergangene Woche hatte die spani-sche Regierung angekündigt, gegebenenfalls sofort den gesamten Staatsapparat gegen die aufmüpfigen Katalanen in Bewegung zu setzen. Sie beruft sich dabei seit jeher auf die spa-nische Verfassung, die das nicht erlaube, was allerdings nur ein Teil der Wahrheit ist. Denn das spanische Verfassungsgericht hat im März dieses Jahres einstimmig geurteilt, dass die Verfassung derzeit zwar kein Recht auf Selbstbestimmung einzelner Regionen vorsehe, dass diese aber vom Parlament jederzeit dahingehend abgeändert werden könne. Wo ein politischer Wille, da also auch ein juristischer Weg. Das Dilemma Spaniens besteht aber genau darin, dass es an diesem Willen immer schon gefehlt hat. Im Gegenteil: mapa-carreteras-españaDie beiden Großparteien, die regierende Volks-partei PP und die sozialistische Oppositions-partei PSOE bekriegen sich zwar in weltan-schaulichen Fragen, wenn es aber darum geht, eine Föderalisierung des Zentralstaates zu verhindern, blasen beide stets ins gleiche Horn. Das erklärt auch, warum in den letz-ten Jahren, trotz wechselnder Regierungen, Katalonien von Madrid kein einziger kon-kreter Verhandlungsvorschlag gemacht wur-de.

Präsident Artur Mas und die spanische Mauer

Glaubt man der spanischen Presse, dann ist die katalanische Los-von-Spanien-Bewegung vor allem das diabolische Werk einiger fanatischer Provinzpolitiker, allen voran Artur Mas‘, die die Bevölkerung gegen Spanien aufhetzten. Vom selben Artur Mas stammen aber interessanterweise Aussagen wie die folgende aus dem Jahre 2002: „Ich strebe ein pluri-nationales Spanien an. Einen Staat aus vier Nationen: Kastilien mit seinem Einfluss-bereich, Galizien, das Baskenland und Katalonien.“ Glühende Separatisten klingen wohl anders. Aber unlängst, nach dem Scheitern aller jahrelangen Bemühungen, Spanien zu Zugeständnissen zu bewegen, zog Artur Mas in einem Interview mit der Zeitung La Van-guardia ernüchtert Bilanz: „Die katalanische Gesprächsseite vertraut dem spanischen Staat nicht mehr. Er hat uns immer hintergangen.“

Das Verfassungsgericht – ein neutraler Schiedsrichter?

Noch bevor am 19. September das katalanische Parlament mit einer Stimmenmehrheit von 78,5% das Gesetz zur Abhaltung von Volksbefragungen verabschiedete, kündigte die spanische Regierung bereits an, also noch ohne den genauen Wortlaut zu kennen, dass das spanische Verfassungsgericht gleich Anfang kommender Woche das katalanische Gesetz und das damit zusammenhängende Dekret zur Ausrufung der Volksabstimmung für null und nichtig erklären werde. Damit beginnt in Kürze das vorläufig letzte Kapitel eines Dra-mas, in dem der spanischen Justiz die Schiedsrichterrolle in einem politischen Konflikt zugeschoben wird. Dazu muss gesagt werden, dass es in Spanien grundsätzlich schwer fällt, die Trennungslinie zwischen Politik und Justiz auszumachen. tribunal constitucionalDa überrascht es auch nicht, dass etwa der derzeitige Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Francisco Pérez de los Cobos, viele Jahre lang Mitglied der heu-te regierenden Partido Popular war, diese Zugehörigkeit aber beim Hearing im spani-schen Senat verschwieg. Da muss man nicht Katalane sein, um an der Unvoreingenom-menheit des Höchstgerichts zu zweifeln. Da-zu kommt noch, dass der Gerichtspräsident vor einigen Jahren schon mit einer 54 Seiten starken Aphorismensammlung Aufsehen erregte, allerdings weniger in Literaturkreisen. Darunter finden sich solche Perlen wie „Das Geld ist der Balsam, der die Katalanen zur Vernunft bringt“ oder „Die Engländer haben von ihren Katzen gelernt sich zu waschen.“

Überwältigende Mehrheit der Rathäuser unterstützt die Volksbefragung

Ungeachtet des wachsenden Drucks aus Madrid ist in Katalonien in den vergangen Tagen die Zustimmung zur anberaumten Volksbefragung auf allen Ebenen gewachsen. Allein bis vergangenen Freitag haben 874 der insgesamt 947 Stadt- und Gemeindevertretungen Ka-taloniens beschlossen, die Volksbefragung offiziell zu unterstützen, oft sogar mit den Stim-men der sozialistischen Vertreter, deren Parteispitze die Consulta am 9. November kate-gorisch ablehnt.

In Katalonien wird jetzt mit Spannung erwartet, welche Mittel und Methoden sich die spa-nische Regierung hat einfallen lassen, um zu versuchen, das Referendum in letzter Minute noch abzuwürgen. Viele gehen aber davon aus, dass sie nicht davor zurückschrecken wird, etwa den mit der Abstimmungsdurchführung beauftragten Beamten gravierende juristi-sche Konsequenzen anzudrohen, um sie damit einzuschüchtern.

Nüchtern betrachtet, ist schwer zu verstehen, warum die spanische Regierung so große Angst davor hat, dass die Katalanen ihre Meinung dazu sagen, ob sie zu Spanien gehören wollen oder nicht. Selbst das für Spanien schlimmste Szenario, eine Mehrheit für ein unabhängiges Katalonien, ließe für die Zukunft immer noch alle Türen offen, mittels konkreten Angeboten den Katalanen einen Weiterverbleib bei Spanien schmackhaft zu machen.

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