Das Imperium schlägt zurück

Staatsmacht ist in demokratischen Breitengraden eher ein verschwommener Begriff. Wie demokratisch aber ein Staat ist, beweist sich dann, wenn er in Frage gestellt wird. Großbritannien setzte im Fall Schottlands auf ein Refe-rendum. In Spanien dagegen zeigt der Staat den katalanischen Herausforde-rern seine Zähne und droht ihnen mit schweren Repressalien. Ausgerechnet an einem prominenten Richter wurde kürzlich ein besorgniserregendes Exempel statuiert.

Spaniens Justiz will pro-separatistischen Richter einschüchtern

salvados_desobediencia_civil--644x362Vor wenigen Tagen, die Vorbereitung der für den 9. November angesetzten Volksbefra-gung liefen bereits auf Hochtouren, teilte der Generalanwalt des Obersten Spanischen Justizrates dem  Richter Santiago Vidal mit, dass er ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet habe. Richter Vidal hatte nämlich in aller Öffentlichkeit erklärt, dass er in seiner Freizeit Mitglied einer Arbeitsgruppe katalanischer Justizexperten sei, die für ein unab-hängiges Katalonien eine modellhafte Verfassung ausarbeite.  In einer ersten Sitzung lehn-te es die Disziplinarkomission mit nur einer Stimme Mehrheit zwar ab, den Richter bis zu einem endgültigen Urteil mit sofortiger Wirkung vorläufig von Arbeit und Gehalt zu sus-pendieren, aber trotzdem war diese rabiate Vorgangsweise ein unüberhörbarer Schuss vor den Bug der Organisatoren der geplanten Volksbefragung.

Pikantes Detail am Rande: Wenige Tage vorher hatte der spanische Verfassungsgerichts-hof den Antrag der katalanischen Regierung  abgelehnt, den Präsidenten des Höchstge-richts in Sachen Volksbefragung für befangen zu erklären, weil dieser in einem Parla-mentshearing (s. Rundbrief 15) verschwiegen hatte, jahrelang Mitglied und Berater der re-gierenden Volkspartei gewesen zu sein. Die  Begründung lautete, dass die Privatmeinung eines Richters seine berufliche Unparteilichkeit nicht beeinträchtige.  Seltsamerweise scheint das aber nur für Richter der „richtigen“ Seite zu gelten, nicht aber für Richter Vidal.

Schnellgerichtsprozesse für die Betreiber der Volksbefragung?

Kaum hatte am 29. September der spanische Verfassungsgerichtshof die Volksbefragung für illegal erklärt, kursierten in den Medien  bereits die ersten Meldungen über die juristi-schen Auswirkungen dieses Urteils.  So wies etwa der frühere höchste Staatsanwalt des Obergerichtshofs in Katalonien, José Maria Mena, in einem Radiointerview darauf hin, dass politische Mandatsträger, Beamte und sogar Privatper-sonen straffällig würden, wenn sie sich über die Verbotserklärung hinwegsetzten und weiterhin an der Realisierung der Volksbefragung mitwirken würden. Ihre Verurteilung könne  auf dem Wege über Schnellgerichtsprozesse erfolgen, meinte Richter Mena abschließend.

Präsident Mas sagt unter Druck Volksbefragung ab

Angesichts des wachsenden Drucks aus Madrid blies der katalanische Präsident Artur Mas die versprochene Volksbefragung  kurzerhand ab, um die involvierten Personen nicht massiven Repressalien auszusetzen. Stattdessen zauberte er im Alleingang für den 9. No-vember ein wahlähnlich organisiertes Verfahren zur BürgerInnenbeteiligung aus dem Ärmel,  sehr zum Ärger der Linksrepublikaner (ERC), der Ökosozialisten (ICV) und der weit links stehenden CUP, mit deren Unterstützung er bis zu diesem Zeitpunkt die Volks-befragung vorangetrieben hatte. Mas, bekannt für seine blumigen Metaphern, hatte die buntgefächerte Consulta-Koalition wiederholt mit einer zerbrechlichen Porzellanfigur ver-glichen, die nunmehr  allerdings gefährliche Risse aufweist.

110.000 demonstrieren für Einigkeit und Neuwahlen

forc--644x362Um einen Scherbenhaufen zu verhindern, forderten deshalb heute Nachmittag mehr als 100.000 Menschen anlässlich einer im-provisierten Demonstration die verschnupf-ten PolitikerInnen dazu auf, sich wieder zu-sammenzuraufen, sich hinter die neue Con-sulta am 9. November zu stellen und bal-digst plebiszitäre Neuwahlen auszurufen.  Muriel Casals (links auf dem Foto) und Carme Forcadell, die Vorsitzenden der beiden Bür-gerInnenplattformen Ómnium Cultural und ANC, der treibenden Kräfte hinter dem katalanischen Prozess, hatten spontan zu dieser Kundgebung in Barcelonas Zentrum auf-gerufen.

Spaniens Medienkrieg gegen Separatisten geht weiter

miguel-angel-rodriguez-enfrentara-juicio-rapido_1_1700051Inzwischen geht der spanische Feldzug  gegen den katalanischen Böse-wicht Nr. 1, Präsident Artur Mas, an allen Medienfronten weiter. Auf welchem Niveau dieser Kampf  sich mittlerweile abspielt, zeigte sich vergangenen Mittwoch besonders eindrucksvoll: In einer Talkrunde im Privatsender ANTENA 3 erklärte Miguel Àngel Rodríguez, früher im-merhin Regierungssprecher unter José Maria Aznar, wörtlich: „Artur Mas ist verzweifelt, weil ihm niemand mehr zuhört. Allein was im fehlt, ist eine Erschießung, dann ginge es ihm großartig.“ companysDamit spielte er auf den katalanischen Präsidenten Lluís Com-panys an, den Diktator Franco auf den Tag genau vor 74 Jahren erschießen lassen hatte.  Rodríguez, der gerne den Sauber-mann gibt, hatte bereits im Mai vergange-nen  Jahres für Aufsehen gesorgt, als er nächtens drei  Autos zu Schrott fuhr und beim anschließenden Alkoholtest  den Grenzwert um ein Vierfaches übertraf.  Und während immer noch nicht bekannt ist, was dieses Mal seine Zunge lockerte, haben sich bis dato weder er noch die Programmver-antwortlichen bei Mas für diesen Sager entschuldigt.

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